In knapp zwei Wochen ist es soweit: Deutschland übernimmt für sechs Monate die Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union. Als Vorsitz wird die Bundesrepublik Handlungsleitlinien festlegen und den Rat gegenüber anderen Organen der EU sowie gegenüber Drittstaaten und internationalen Organisationen vertreten. Dies wird auch für die künftige Migrationspolitik eine entscheidende Rolle spielen. Im Fokus stehen demnach vor allem auch die zukünftige Aufnahme und Verteilung von Geflüchteten innerhalb der EU.
I. Nur wenige Fortschritte auf dem Weg zu einer umfassenden Asylrechtsreform
Die Reform des europäischen Asylrechts ist seit mehreren Jahren nur schleichend vorangekommen. Ursula von der Leyen – derzeitige Kommissionschefin – hat zu Beginn ihrer Amtszeit umfassende Neuerungen des “Gemeinsamen Europäischen Asylsystems” (GEAS) in Aussicht gestellt. Wegen der Corona-Pandemie ist es jedoch zu Verzögerungen gekommen.
Mitte April haben dann die Innenminister Deutschlands, Frankreichs, Spaniens und Italiens einen Kompromiss zu den umstrittenen Fragestellungen vorgeschlagen: In einem Papier an die Kommission fordern die Staaten einen verbindlichen Mechanismus für die faire Verteilung von Geflüchteten nach bestimmten Kriterien. Die angestrebte europäische Asylreform müsse das “Prinzip der Solidarität und der geteilten Verantwortung” widerspiegeln. In Ausnahmefällen sollen die Mitgliedsstaaten jedoch “auf andere Solidaritätsmaßnahmen als die Verteilung zurückgreifen” können. Genannt wird etwa eine finanzielle Unterstützung bei der Versorgung von Asylbewerbern. Dieser Kompromiss richtet sich in erster Linie an Mitgliedsstaaten wie Polen oder Ungarn, die derzeit die Aufnahme von Geflüchteten ablehnen.
II. Bislang kein verbindlicher Verteilungsschlüssel
Nach dem immer noch geltenden Dublin-Übereinkommen ist in der Regel das Land für den Asylantrag zuständig, in dem Asylsuchende zuerst europäischen Boden betreten. Ursprünglicher Zweck dieser Regelung war es zum einen, sicherzustellen, dass nur in einem Mitgliedstaat Asyl beantragt wird und zum anderen, dass überhaupt ein Land für das Asylverfahren zuständig ist und AsylbewerberInnen nicht zwischen Staaten „weitergeschoben“ werden („no refugees in orbit“). Konsequenz dieser Regelung ist jedoch auch, dass Mittelmeerstaaten wie Griechenland, Spanien und Italien besonders belastet sind und diese in den letzten Jahren immer wieder mehr Solidarität von anderen Mitgliedstaaten gefordert haben.
Ein EU-weiter Verteilungsschlüssel hätte hier Abhilfe schaffen können und steht auch schon seit 2012 im Raum, ist jedoch trotz entsprechender Vorschläge von Parlament und Kommission immer wieder an der Zustimmung des Rates gescheitert. Damit bleibt es beim ebenfalls in der Dublin-VO vorgesehenen „Selbsteintrittsrecht“, das EU Staaten auf freiwilliger Basis gestattet, sich um Asylanträge zu kümmern, für die sie eigentlich nicht zuständig wären. Das GEAS der Zukunft hängt damit wohl noch weiter in der Luft.
III. Vorprüfungen an den Außengrenzen
Auch bei anderen Beschlüssen herrscht wenig Bewegung, so etwa bei der Diskussion um eine beschleunigte Prüfung von Asylanträgen. So sieht ein von Bundesminister des Innern Horst Seehofer (CSU) vorgelegtes Konzept Erstprüfungen an der EU-Außengrenze vor, durch die „offensichtlich nicht schutzbedürftige Personen“ direkt an der Außengrenze zurück in ihre Herkunftsländer geschickt werden sollen (initial assessment). Mit Blick auf Rechtsschutzgesichtspunkte wird dieser Vorschlag von einigen Seiten allerdings kritisch beäugt. Eine Europäisierung des Asylverfahrens und eine damit einhergehende stärkere Rechtsvereinheitlichung und Rechtssicherheit wären durchaus ein alternativer und sachgerechter Ansatz zur Verfahrensbeschleunigung. Wie dringend diese erforderlich ist, zeigt allein ein Blick nach Griechenland: Dort befinden sich immer noch mehr als hunderttausend Schutzsuchende, die dort in teilweise vollkommen überfüllten und schlecht ausgestatteten Lagern festsitzen. Deren Asylverfahren dauern häufig über ein Jahr.